Flutkatastrophe - ein Jahr danach

Eine Beurteilung der Akademie Hochwasserschutz

Die Opfer des Juli 2021 dürfen wir nicht vergessen. Es ist unendliches Leid geschehen. Zwei Menschen werden noch immer vermisst.

Viele Zeitgenossen fragen sich, was wurde bisher getan. Klar ist, dass technischer Hochwasserschutz und Beseitigung der Schäden nicht in einem kurzen Zeitraum funktionieren. Erschwerend kommen andere Krisen wie der Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Schwierigkeiten hinzu. Corona-Krise und Klimawandel beschäftigen uns alle. Handwerker fehlen, Material fehlt. Personalschwierigkeiten überall. Der dauernde Krisenmodus tut der Gesellschaft nicht gut. Es staut sich Wut auf. Wir brauchen dringend Ideen, wie wir dies alles bewältigen können. 

Schuldzuweisungen helfen oft nicht weiter. Aufklärung ja, aber der Fingerzeig auf wenige schafft neuen Verdruss. Angegriffene wehren sich natürlich. Und wo bleibt dann die Lösung ? 

Beurteilungsspielräume und Interpretationsspielräume haben zu Fehlern geführt. Das stimmt. Ist es aber nicht ein systemisches Versagen an manchen Stellen oder fehlte dem einen oder anderen doch der Mut zur Entscheidung ?

Wir alle sollten genauer hinsehen. Jede Profession ist an ihrer Stelle gefordert und das eigene Handel bedarf der Überprüfung. 

Wir alle haben das Gefühl, es geht alles zu langsam voran. Und, was können wir lernen ?

Betrachten wir zunächst den technischen Hochwasserschutz. Ein Gesamtkonzept an der Ahr zum Beispiel fehlt. Man weiß es, es geht zu langsam voran. Wasserrückhalt ist Grundbedingung, anders geht es nicht. Noch immer bauen wir in Überflutungsflächen. Bei den Ausnahmebegründungen haben wir viel Fantasie. Die sollten wir für die Lösung einsetzen. 

Die Akademie Hochwasserschutz moniert dieses Verhalten seit Jahren, wie viele Fachleute ebenso. Lernen wir daraus wirklich oder Verdrängen wir nur immer wieder nach dem Motto, es wird schon gutgehen.

Für Aufbauhilfen und die Planungen benötigen wir andere rechtliche Grundlagen im Katastrophenfall, die das Ziel der Beschleunigung der Vorgehensweise haben. Ein Beispiel für Ausführungsschwierigkeiten ist die Auszahlung von Spendengeldern. Hier sind die Finanzpolitiker im Spendenrecht für klare eindeutige Regeln gefordert. Ein anderes Beispiel sind die Versicherer, die jeden Beleg benötigen und obendrein 3 Angebote von den Geschädigten verlangen. Die Angebote bekommt der Versicherungsnehmer oft nicht zeitnah. Es fehlen ja die Fachbetriebe und Fachkräfte-eine schier endlose Warteschleife. Unbürokratisch muss auch gelebt und geregelt werden. 

Der Katastrophenschutz muss sich ebenso optimieren. Ein Hauptaugenmerk ist die Lagebeurteilung vor Ort. Wir plädieren für den dezentralen Katastrophenschutz. Vor Ort kennt man das Gelände, kennt die gefährdeten Anwohner und Gebiete. Um Lagebeurteilungen für die örtlichen Kräfte und den Bürgermeister optimal durchführen zu können, wird Hintergrundwissen benötigt. Fort-und Weiterbildungen sind zwingend erforderlich, wie die vorbeugenden Planungen für Extremereignisse. Flutvorsorge beginnt vor der Flut. So müssen wir über die örtlich eigenverantwortliche Regelung bei Evakuierungen nachdenken und diese sauber gesetzlich regeln. 

Und noch eine Erkenntnis. Digital ist gut und schön. Aber was tun wir, wenn die Kommunikation wie im Ahrtal nicht mehr funktioniert. Vielleicht sollten wir mit vorbeugender Flussbeobachtung im Ober und Unterlauf arbeiten und Fahrwege über den Berg erkunden, wie Informationen ganz trivial an die Flussunterlieger kommen. 

Wir müssen uns sprachlich verstehen. 200 Liter auf den Quadratmeter sagt vielen Menschen nichts. Wir sollten sagen, Dein Haus könnte überströmt werden. Das versteht jeder. Wir müssen weiter lernen mit dem Präventionsparadox umzugehen. Warnungen führen öfter nicht zu realen Ereignissen. Wer vorsichtig ist, darf auf keinen Fall in negative Kritik geraten. 

Die Akademie Hochwasserschutz ist optimistisch, dass auf allen Ebenen die Punkte bearbeitet werden. Wir beteiligen uns gerne.

Der Vorstand